Here is the review in German language. Perhaps Barry can translate (some of) it into English? It indeed gave 5/5 for interpretation, 4/5 for sound:
"Numerus est Omen, so ließe sich das sonst anders lautende lateinische Sprüchlein als Menetekel für Komponisten deuten. Nachdem Beethoven und Bruckner über die Neunerzahl ihrer Symphonien nicht hinausgekommen waren, zögerte der immer wieder gerne menetekelnde Gustav Mahler, seiner im Sommer 1909 vollendete Neunten eine Nummer zu geben. Durch einen kleinen, aber geschickten Selbstbetrug, nämlich, indem er dem ‚Lied von der Erde’ den Untertitel ‚Sinfonie für eine Alt- und eine Tenorstimme und Orchester’ gab, wollte er dem Schicksal gleichsam ein Schnippchen schlagen. Es hat ihm alles nichts mehr genützt: der Tod war schneller. Seine Neunte, wie auch das ‚Lied von der Erde’, hat er nicht mehr selbst uraufführen können.
Die Mahlerdiscographie der Berliner Staatskapelle unter Daniel Barenboims Leitung ist noch überschaubar. Die Symphonien Schumanns und Beethovens liegen komplett vor, und dies in herrlich energiegeladenen, plastischen Aufnahmen, während bislang lediglich die Siebte Mahlers auf CD erschienen ist. Dieser gesellt sich nun die 9. Symphonie hinzu. Man kann nur hoffen, dass Barenboim in Allianz mit der Berliner Staatskapelle sich bald auch den anderen Mahler-Symphonien widmen. Mit der Live-Einspielung der Neunten bringen sie frischen Wind in die all zu oft viel zu tragisch interpretierte letzte Symphonie Gustav Mahlers.
Keine Angst vor großen Zahlen
Oft, und erst recht in Einspielungen, hört man Gustav Mahlers 9. Symphonie im Gestus unausweichlicher Tragik und deutelnder Schicksalhaftigkeit, so als gingen die Dirigenten mit Mahlers unausweichlich gefühlter und gespürter Tragik geradezu schwanger und befänden sich bereits im neunten Monat. Georg Solti hat einst mit dem Chicago Symphony Orchestra die 9. Symphonie mit eben jenem tragischen Zug und mit dem expliziten Gestus des Abschiednehmens, gleichsam jenseitsgewandt eingespielt. Meines Erachtens ist dies nicht die Intention Mahlers gewesen. Nicht umsonst hat er in einem Brief an Bruno Walter seine Neunte als Pendant zur Vierten gesehen. Und dies bedeutet nicht zuletzt: Mahler hat in seiner 9. Symphonie Symphoniedramatik und Liedepik versöhnt und den überaus großen lyrischen Zug, der sich in den Sätzen konsolidiert, beinahe schon plakativ und sehr diesseitig ausgeformt.
Mit geradezu jugendlicher Energie
Daniel Barenboim klammert von vornherein alle vermeintliche Tragik der 9. Symphonie aus. Nur die Themen sind profunder und ernsthafter als in der ‚heiteren’ 4. Symphonie und deshalb sind für Barenboim auch hier das Lyrische und die liedhaften Momente oberste Prämisse. Wie schon in den Interpretationen der vier Symphonien von Robert Schumann ist Barenboims Dirigat äußerst energetisch im Spannungsaufbau der Phrasen. Und die formt er aus jedem weit aufgespannten Intervall heraus zu klangseligen Kantilenen. Die Konzentration auf das Liedhafte binnengespannter Phrasen verhindert das Abgleiten ins Rührselige oder gar Kitschige. Bei Mahler sind diese Grenzen außerordentlich fließend und ein Dirigent steht immer vor der Entscheidung, der Musik das Blut zu entziehen und sie gewissermaßen zu skelettieren, wie Pierre Boulez es so herrlich analytisch und musikalisch so hanebüchen vormacht, oder aber den Puls anzutreiben, blutdrucksteigernd wie Bernstein ‚seinen’ Mahler interpretiert hat. Völlig kann auch Barenboim diese Pole nicht ausgleichen. Auch bei ihm ist das Schwanken zwischen detailverliebter Partiturexegese, Vordergründigkeit und profunder Lyrik deutlich zu hören.
Und dennoch: das Boulez’sche blockhafte Sezieren vermeidet er ebenso wie die musikalisch zelebrierte Selbstaufgabe. Das Lyrische bricht sich am Ende bei Barenboim Bahn und es ist geradezu genial, wie er und die Staatskapelle Berlin es fertig bringen, den Bogen zwischen dem dezidiert liedhaft genommenen ersten Satz über die klangdetailliert ausgeschöpfte, derb und täppisch, wie von Mahler gefordert, ausgelotete Vordergründigkeit und Naivität des zweiten Satzes und der grotesken Rasanz des dritten Satzes hin zum Abschiednehmen des letzten Satzes zu spannen. Eine Musterbeispiel dramatischer Steigerung und umso bewundernswerter, als es sich hier um eine Live-Aufnahme handelt. Die Staatskapelle Berlin überzeugt durch bestechend homogenes Stimmgruppenspiel und folgt Barenboims sich dramatisch steigerndem Aufbau in runder, plastischer Dynamik und sich enorm steigernder Intensität des Spiels hin zum letzten Satz. Dort scheut zwar auch Barenboim den dicken Pinsel des Emotionalen nicht, doch das musikalische Abschiednehmen Mahlers wird hier zu einem Abschiednehmen nicht vom Leben selbst, sondern von der Welt des Lyrischen. Man höre nur die letzten Takte! Die Staatskapelle evoziert hier keine Mahler’sche Todessehnsucht. Hier wird Abschied genommen von der Essenz der Musik Mahlers: vom Lied.
Barenboims energetische, frische und überzeugende Lesart von Mahlers 9. Symphonie – empfehlenswert."